Besser wird es nicht

oder: Warum ich kein Einser-Abi haben werde

Ich habe Geschichte als LK. Ich kann Geschichte, ich mag Geschichte und zumindest mein Lehrer und ich verstehen uns super. Mein Kurs und ich nun nicht so. Aber man kann ja auch nicht alles haben.

Ich schreibe in Geschichte konstant Einsen, seit Beginn diesen Schuljahres. Mein Lehrer findet das gut, ich finde das gut, alles ist super. Wenn da nicht das Mündliche wäre…
Ja, ich habe einen Nachteilsausgleich. Das Schriftliche wird statt zu 50 zu 70 Prozent gewertet, das Mündliche entsprechend weniger. Und ich bin froh darum, denn bisher hat es mir nur Vorteile gebracht. Aber trotzdem, mündlich bin ich schlecht. Mein Geschichtslehrer brachte es auf den Punkt. Qualitativ wären meine Beträge locker im Einserbereich.
Quantitativ ist es zu wenig. Und reicht gerade für eine Drei. Ich soll mehr sagen. Ich kann das ja. Wo ist denn das Problem?

Ich rede nicht gerne. Ich kann mich im Unterricht nur melden, wenn ich mir genau zurechtgelegt habe, was ich wie sagen will. Wenn ich das nicht weiß, kann ich keine Antwort geben, unabhängig von Fachwissen. Wenn ich keine Formulierung habe, kann ich nichts sagen.
Und ganz davon abgesehen rede ich nicht gerne.

Eigentlich stünde mir nichts im Wege, in Geschichte Eins zu stehen. Genau wie in Mathe, Chemie, Englisch. Ich kann das ja alles. Ich sage nur zu wenig.
Das wird sich in diesem Leben nicht mehr ändern, das habe ich heute festgestellt. Ich werde in dem Jahr, das ich noch bis zum Abi habe, nicht von jetzt auf gleich mündliche Mitarbeit lernen. Ich werde mich niemals so oft in einer Stunde melden können, dass sie einer Eins würdig ist. Nicht in diesem Leben.

Ich kriege also eine glatte zwei. Wie in jedem Fach, maximal. Trotz Nachteilsausgleich, aber mehr kann ich nicht verlangen, mehr wäre ungerecht den anderen gegenüber.
Ich werde nie ein Einser-Abi schaffen. Weil der Autismus mir im Weg steht. Weil ich so schlecht reden kann, nicht vor Leuten, nicht im Unterricht.

Ich fühle mich ja nicht oft behindert. Ich muss zugeben, heute ist es doch der Fall gewesen. Und ein bisschen hat die Erkenntnis wehgetan. Auch wenn ja letztendlich niemand etwas dafür kann.

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Dinge, die die Welt nicht glaubt

Ihr kennt doch alle noch meinen Physiklehrer? Also den, dem ich meine Notengebung erklären musste. Genau der. Übrigens auch der, der sich morgens erst um zehn nach acht dazu bequemt, uns in die heiligen Hallen der Physikräume zu lassen (Warum zum Teufel will ich freitags eigentlich pünktlich kommen?). Und der, der ganz offen vor seinem Kurs zugibt, dass er keinen Bock auf Unterricht hat. Und der, dessen Mathekurs heute ganz offen gewettet hat, ob er zur achten und allerletzten Stunde vor den Ferien erscheint – immerhin muss er sich dazu in den zweiten Stock bewegen. Nach einer Freistunde. Ist ihm nicht zuzumuten (Er kam. Erstaunlicherweise. Aber Unterricht hat er offenbar nicht gemacht).

Wir sind alle schon der geschlossenen Meinung, dass man nichts mit Physik studieren sollte, wenn man bei dem Kerl Unterricht gehabt hat. Ich will es trotzdem und muss wohl lebensmüde sein, aber hey, nichts geht über ein bisschen Hirnrissigkeit.
Jedenfalls sitzt seit geraumer Zeit auch ein Referendar bei uns im Unterricht (Ich zieh die irgendwie magisch an… Kann ich mir gaaaar nicht erklären), macht sich fleißig Notizen und tut ansonsten sehr gut so, als wäre er gar nicht da. Der Gute unterrichtet übrigens auch Philosophie und hatte das Pech, gleich in seiner ersten Stunde wegen mir auf die Schnauze zu fallen. Mittlerweile erkundigt er sich vor jeder Gruppenarbeit, ob das so in Ordnung für mich ist – niedlich, irgendwo. Und wir verstehen uns wirklich prima.

Heute jedenfalls packte ich meine Sachen aus, sein Blick fiel auf meine recht spärlichen Notizen aus Physik. Und er drehte sich zu mir um, schaute mich an und fragte: „Du hast bei *Physiklehrer* Unterricht, oder?“
„Ja.“
„Sag mal… verstehst du, was er von euch will?“
„Nicht wirklich. Sie?“
„Nein.“
An der Stelle verkniff ich mir ein Lächeln. Wenn selbst Referendare nicht wissen, was da vorne stattfindet, dann läuft eindeutig was schief. Nicht, dass ich das nicht schon wüsste, aber offizieller kriegen wir das nicht mehr in diesem Leben.
Im Übrigen hat *Physiklehrer* seinem Mathekurs heute erzählt, er habe nie Lehrer werden wollen. Nun.
Ich beschloss hinterher also, nachzulegen. „Ganz im Vertrauen: Ich hör in diesem Unterricht nicht zu. Und die Zeichnungen zeichne ich nicht ab, weil ich dazu zu faul bin.“
Verständnisvolles Nicken. „Na ja, seine Zeichnungen sind ja eigentlich ganz in Ordnung, aber der Rest…“
„Und seine Schrift kann keiner lesen.“
„Wenn man ihm zuhört, dann geht es eigentlich.“
„Ich höre ihm ja nicht zu.“
Verständnisvolles Nicken. „Ja dann.“
„Und die Klausuren von ihm habe ich alle schon mal gesehen und ich schreib direkt von der Formelsammlung aufs Blatt. Eigentlich hab ich die guten Noten gar nicht verdient.“
„Na ja, solang es funktioniert, ist es ja egal wie.“ Und das von einem angehenden Lehrer. Ich mag ihn. Definitiv. „Aber sag ihm nichts davon, ja?“
Jetzt muss ich doch grinsen. „Mit Sicherheit nicht.“

Den Rest der Philosophiestunde verbringen wir damit, die Keksreste zu essen, die der Kurs nicht mehr will. Ich glaube, wir sind jetzt Freunde. Oder so.

(Und vielen, VIELEN lieben Dank für insgesamt über 10000 Aufrufe! Ich fühl mich jetzt ganz berühmt. Danke!)

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Staub wischen

*hust*
Ganz schön staubig hier. Ich muss wirklich mal aufräumen. Und überhaupt… hier sind ja noch Leute! Na so was. Ich hoffe doch, ihr habt nichts kaputt gemacht?

Spaß beiseite, der Monat war anstrengend. Facharbeit geschrieben, Facharbeit gehasst, Facharbeit abgegeben, Facharbeit heute wiedergekriegt, 14 Punkt mit Kusshand. Klausuren (nach)geschrieben, heute Physik, ich hätte mein Heft von letztem Jahr abgeben können, es waren nämlich exakt dieselben Aufgaben. Frisch verliebt, immer noch, voraussichtlich auch demnächst weiterhin. Gefühle gehabt, viele Gefühle gehabt, festgestellt, dass man sie zwar essen kann, aber nicht sollte. Der Depression in den Hintern getreten, ein bisschen zu oft, aber jedes Mal erfolgreich. Krank geworden, auch vor Sorge, aber ich glaube, dass sie jetzt glücklich(er) ist. Viele, viele Gedanken verschwendet und Stunden wachgelegen, an den richtigen Stellen auch mal nicht gedacht sondern einfach gehandelt. Geküsst, einmal, zweimal, mittlerweile lässt mich mein Kreislauf danach auch stehen, spontane Entschlüsse getroffen, mich für verrückt erklärt, aber es war trotzdem gut. Zweifel gehabt und festgestellt, dass es sich trotzdem lohnt. Aufgeräumt, im Zimmer aber nicht im Kopf. Leute kennengelernt, unheimlich liebe Leute, ich kenne sie kaum und will sie trotzdem nicht mehr missen. Vier Referendare im Unterricht gehabt, alle geschockt, denn sie machten Gruppenarbeit, sie sind alle nett, aber sie müssen auch lernen. Baustelle vor dem Haus gehabt, Baustelle wird bleiben, weil die Bauarbeiter und die Stadtwerke Idioten sind („Wir finden die Gasleitung nicht!“), mich aufgeregt, einmal, zweimal, wenn des Mordes bezichtigt werde einmal zu viel. Sauer geworden wegen Sturmklingelns und Klopfens, wenn ich so weit bin, Leute öffentlich zur Sau zu machen, sollte man rennen.

Und trotzdem irgendwie keine Geschichten zu erzählen, die es sich auch zu erzählen lohnt. Oder vielleicht doch? Mal sehen.

Ich brauch Ferien. Ja, ich brauch Ferien. Zwei Wochen und zwei Klausuren trennen mich davon. Und dann hab ich vielleicht auch mal wieder Zeit, um hier irgendwas zu bloggen. Über Gefühle zum Beispiel. Von denen hab ich ja reichlich im Moment.

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Liebe in Zahlen

Seit zwei Wochen stehe ich vor einem Problem. Zugeben, die wichtigsten Schritte zur Lösung habe ich vermutlich schon hinter mir und zwar im Schnellverfahren, das, wie der Name nun mal andeutet, zwar schnell und zumindest halbwegs kompetent Lösungen parat hat, aber nicht ganz darauf achtet, ob derdiedas Betroffene eigentlich folgen kann. Ich kann es nun nicht so unbedingt – es hat mit Gefühlen zu tun, und da liegen meine Kompetenzen eher in dem Bereich, der sich damit beschäftigt, bei jedweder Regung gleich in Tränen auszubrechen. Mit anderen Worten kann ich das „Vor Freude heulen“ wirklich sehr gut auf die Spitze treiben, aber dadurch auch nicht sonderlich mit meinen Gefühlen umgehen.

So weit, so gut. Mit der Situation komme ich nun fast 18 Jahre ganz gut zurecht, mit zwischendurch etwas verheulten Phasen. Dann kam das Leben daher und erklärte, ich könnte mich bittedankeschön verlieben, griff sich das Popcorn und schaute zu.
(Ihr müsst wissen, bei der letzten Geschichte mit mir und der Liebe in den Hauptrollen habe ich mich so böse mit meinem besten Freund zerstritten, dass wir mehr durch Zufall wieder angefangen haben zu reden)
Bevor ihr fragt, nein, es ist alles gut gelaufen, nachdem ich erstmal meinen halben Freundeskreis befragt habe, ob ich krank bin („Herr Doktor, ich habe Zuneigung!“), ob das so sein darf und was ich jetzt bitteschön mit mir machen soll, weil so ist das ja nun wirklich kein ansehlicher Zustand. Dann die Sache mit dem „Ich müsste es ja schon irgendwie mitteilen, weil von alleine kommts ja nicht drauf, dass ich da eventuell Zuneigung habe“, das mich dann nicht wie geplant eine Woche sondern zwei Tage sämtliche Nerven gekostet hat und jetzt sitz ich hier und bin immer noch verliebt und leicht ratlos.

Ich glaube, dass wir beide jetzt zusammen sind. Ich habe gefragt und gesagt bekommen, ja, sind wir. Aber ich bin mir nicht sicher. Ganz tief im Inneren wünsche ich mir ganz naiv eben doch diesen Fragebogen, wo ich abhaken und ankreuzen kann und wo am Ende das Ergebnis steht, „Ja ihr seid zusammen“ oder eben „Nein, seid ihr nicht“. Ich wünsche mir eine Liste, wo der Unterschied zwischen Freundschaft und Beziehung steht und was das alles bedeutet.Ich wünsche mir die simple Angabe, wie viel Platz dieses „Du“ in meinen Gedanken haben sollte. Ein bisschen wünsche ich mir Anleitung, weil ich keine Ahnung habe, wie Liebe geht. Ich kann das Wort buchstabieren, ich kann es definieren (Wie eine Krankheit, mit dem Unterschied, dass man es so will (Meistens)), aber ich kann es nicht anwenden. Ich kann ja schlecht drauflosprobieren, denn es geht hier ja um Menschen, das habe ich wohl verstanden, und eben nicht um Sachen (Und der Tatsache, dass mir nicht wenige Menschen diese simple Erkenntnis als Erfolg anrechnen, muss ich auch noch einen Blogpost widmen). Und Menschen kann man nicht auseinanderschrauben.

Und nun sitz ich hier, mit meinem Problem, und würde Liebe gern in Zahlen sehen, auf Papier gedruckt, in Diagrammen und Prozenten ausgewertet, aufbereitet, wie eine Versuchsanordnung.
Ich weiß, es geht nicht. Jeder Mensch ist anders, das predige ich ja selbst Tag für Tag und rege mich auf, wenn es schon wieder jemand nicht versteht. Das ist es, was Gefühle so schwierig macht und weswegen ich nicht ganz so gut mit ihnen kann. Dass sie sich nun einmal genau das bisschen zu wenig um Regeln scheren.

Und mein Problem? Ich möchte alles richtig machen. Ganz naiv und ganz klein, dieser Wunsch, und ganz niedlich, wenn ich meine Freunde frage. Aber irgendwie kommt mir die Weltrettung aktuell noch ein bisschen einfacher vor.
Ich stehe eben noch am Anfang mit dieser ganzen Geschichte. Und ja, ich habe verflucht viel zu lernen. Für manche ist es Teilchenphysik, für mich ist es halt Liebe.

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Räumen wir kurz auf

Ja, ich bin Autistin. Ja, ich habe das Asperger-Syndrom.
Ja, ich bin krank. Ich habe nämlich Schnupfen.
Nein, ich leide nicht. Weder wegen dem Schnupfen noch aufgrund des Autismus‘.
Ja, ich bin behindert. Und nein, nicht geistig behindert.
Nein, ich lebe nicht in meiner eigenen Welt. Ich lebe auf der Erde, wie alle anderen Menschen auch, meines Wissens nach.
Nein, ich habe keine Inselbegabung (Und nein, das ist kein Kriterium für eine Diagnose)
Ja, ich bin hochbegabt. Nein, mein Zeugnisdurchschnitt ist „nur“ 2,38.
Ja, ich habe ein Spezialinteresse. Nein, das ist keine Inselbegabung. Nein, ich lerne keine Telefonbücher auswendig (Nein, ich kann auch meine Handynummer nicht auswendig). Nein, ich habe kein fotografisches Gedächtnis. Ja, ich schreibe Bücher.
Ja, ich mag Menschen nicht besonders. Nein, das hat persönliche Gründe.
Nein, ich kann reden.
Nein, ich habe Freunde. Nein, ich rede sowohl mit meinen Freunden, als auch mit meinen Eltern, manchmal etwas zu viel.
Ja, ich bin manchmal ein unsensibler Klotz. Nein, das bedeutet nicht, dass ich kein Mitgefühl besitze.
Ja, ich muss mir Egoismus unterstellen. Nein, ich arbeite dran.
Ja, mit Ironie hab ich es nicht so. Ja, ich benutze sie trotzdem, weil ich es kann.
Ja, ich gehe nicht gerne aus dem Haus. Denn das Wetter ist gerade furchtbar, nämlich regnerisch und stürmisch.
Nein, ich habe nicht vor Amok zu laufen.
Nein, ich möchte nicht geheilt werden. Ja, ich habe meinen Autismus lieb. Ja, er stört schon, aber in Beziehungen streitet man ja auch manchmal. Nein, ich halte nicht viel von Medikamenten. Nein, ich halte nicht viel von Therapien. Nein, ich halte nicht viel von der Berichterstattung der Medien. Ja, ich halte viel von Toleranz.

Nein, ich werde an dieser Stelle nicht verallgemeinern, denn: Nein, DEN Autisten gibt es nicht. Ja, das was hier steht, gilt zunächst mal nur für mich.

Nein, liebe Schulleitung, ich glaube doch, dass Aufklärung und Fragen beantworten meine Aufgabe ist. Denn ja, wenn ich mir die Vorurteile so ansehe und die Medien tendenziell negativ auffallen, muss ich da wohl selber ran. Und ja, Sie verwechseln Ist- mit Soll-Zustand.

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What he says?

(Und wer zum Teufel hat sich eigentlich ausgedacht, dass die Geldautomaten jetzt jedes Mal fragen, wie ich meine 20 Euro denn zerstückelt haben möchte. Das macht mich wahnsinnig! Und die Leute hinter mir übrigens auch, denn die müssen ja damit klarkommen, dass ich damit nicht klarkomme. Hört mal Jungs und Mädels bei der Bank da, ich will doch einfach nur mein Geld haben…)

Irgendjemand bei uns in der Schule hatte sich also in den Kopf gesetzt, dass es doch eine wirklich grandiose Idee wäre, unserer ganzen Stufe eine mündliche Prüfung in Englisch ins Gesicht zu drücken. Das sollte eine ganze Klausur ersetzen und auch ganz bestimmt pädagogisch wertvoll sein – mich hat es übrigens in erster Linie meine Nerven, den Verstand und wahrscheinlich auch noch mein Erstgeborenes gekostet, wenn ich denn eins hätte.

Ich überspringe an dieser Stelle ganz dezent die Stelle mit dem „Ich warte drei Monate, bis hier irgendwer seinen Hintern hochkriegt und sich herablässt, mir mal Informationen zuzuschieben“, denn ich hatte, in weiser Voraussicht Panik, erstmal ganz schnell gefragt, ob es denn auch Alternativen gäbe. Meine Englischlehrerin zeigte sich erfreulich engagiert (Und ich mag die Frau unter anderem deswegen, denn sie ist so lieb) und der Sache nicht abgeneigt, hatte auch ein paar Ideen in petto – leider nur hatte sie in der Sache nichts zu entscheiden und so ging es an die Oberstufenkoordination. Drei Wochen später erkundigte ich mich, was denn da los sei, ich bekam als Antwort, die Oberstufenkoordination hätte das auch nicht zu entscheiden und die Schulleitung nähme sich der Sache an. Und der Rest – wir kennen es von Literatur – verlief dann erstmal im Sande.
Zu meinem großen Nicht-Erfreuen hatte mein Kurs das große Los gezogen und durfte erst Anfang Januar die Prüfung machen, im Gegensatz zu den armen Schluckern aus den Leistungskursen, die gut einen Monat weniger Vorbereitungszeit hatten und noch am wenigsten, so schien es, wussten, auf was man sie da eigentlich losließ. Das Schicksal erblieb uns nun erspart, hieß im Umkehrschluss aber auch, dass sich die Bürokratie sehr, sehr viel Zeit lassen durfte. Und die auch ausnutzte, bis ihr die Deadline irgendwann ins Gesicht klatschte und dann innerhalb einer Pause eine Entscheidung gefällt wurde.
Ja, ich mache die Prüfung. Ja, wir bewerten die Gruppenarbeit innerhalb dieser Prüfung etwas weniger stark. Nein, du brauchst dir keine Sorgen machen, das kriegst du schon hin, du kannst ja Englisch.

Ja, verdammt. Ich kann Englisch. Lesen und schreiben. Nicht sprechen. Manno.
Nun, wie auch immer, wurde ich in eine Gruppe zu zwei wirklich sehr freundlichen Mädels gesteckt und alles sollte gut sein.
Bis auf die Tatsache vielleicht, dass ich am Tag vor der Prüfung kein Auge zumachte, halbtot in die Schule wankte und überlegte, wie ich denn nun vor den Lehrern sprechen sollte, ohne erstens die Nerven und zweitens den Inhalt meines Magens zu verlieren.
Was soll ich sagen? Es kam nie zur Prüfung. Zumindest nicht an diesem Tag. Denn neben dem Vertretungsplan hing ein lustiger, mit roten Edding beschrifteter Zettel, der mir mitteilte, dass die Prüfung auf nächste Woche verschoben wird, also grade mal nicht stattfindet.

Ja, ich hätte die Schule zerlegen können.

Also, nächste Woche, selbes Spiel. Wir schrieben mittlerweile Mitte-Ende Januar, in zwei Wochen waren Zeugniskonferenzen und langsam musste dann doch mal was kommen. Ich wankte also schlaflos und mit Bauchschmerzen in die Schule, machte die Prüfung dann aber tatsächlich, und war der festen Überzeugung, einen ziemliches Mist zusammengeredet zu haben. Denn ich habe mich verflucht oft verrannt, durfte Sätze neu anfangen, und dass ich gezittert habe wie Espenlaub kam auch noch dazu. Herzlichen Glückwunsch Siliel, Hauptgewinn – aber immerhin, wenn die Note schlecht wird, ich weiß warum.

Nächste Woche hätte es dann die Noten gegeben – hätte, wenn wir Mittwoch Englisch gehabt hätten, ich Donnerstag nicht auf Exkursion gewesen wäre und wir Freitag Englisch gehabt hätten und ich am darauffolgenden Mittwoch nicht krank gewesen wäre. Zu dem Zeitpunkt waren die Zeugniskonferenzen um, jeder hatte seine Note, das Siliel nicht – und wenn es ehrlich war, dann wollte es so unbedingt auch nichts dran ändern. Am Freitag kam ich dann nun doch nicht drumherum, nachdem ich mich mit meiner Englischlehrerin noch wegen meiner Facharbeit getroffen hatte (Sie ist sehr gespannt drauf. Ich übrigens auch.), kam sie am Ende des Gespräches noch einmal auf mich zu. „Ich habe deine Noten für die mündliche Prüfung ja noch.“
*Schluck* „Ja.“
„Also, das ist ja eine sehr schöne Prüfung gewesen, muss ich sagen, eine der besten und…“
„Was?“
„Ist wirklich sehr schön gewesen.“
„Ich… äh… oh. Cool.“
„Ich gebe dir den Bewertungsboden dann gleich in der Stunde, ja?“
„Öhm… Okay.“

Nachdem ich mich nun also erfolgreich davon abhielt, augenblicklich in Ohnmacht zu fallen und in meinem wunderbar weichen Bett wieder wach zu werden, marschierte ich, wie man das als guter Mensch so macht, zu meinen Freunden und erzählte und war mir relativ sicher, dass sie meinen Erwartungen, in heillose Freude auszubrechen, dieses Mal entsprechen würden.
Fehlanzeige.
Die guckten mich in erster Linie nämlich an, als wäre ich verrückt geworden.
„Irgendwie… kommt das nicht hin, mit dem was Rikku grad erzählt hat.“
„Was hat sie denn erzählt?“
„Na ja, bei der Notenbesprechung meinte Frau S., sie hätte gerade die Prüfungsnoten für die Autistin in meiner Stufe eingetragen und das wäre ne Vier Plus gewesen.“
„Ehm… Die Dame hat mich nicht mal geprüft. Die ist nicht mal im selben Raum gewesen, die kennt mich gar nicht.“ Und ganz davon abgesehen sollte „Eine der besten Prüfungen“ ungleich Vier Plus sein. Ich weiß mittlerweile zwar, dass ein „Ganz ordentlich“ durchaus eine glatte Eins werden kann, aber andersrum… Nee.
„Oh. Dann… Aber wen hat sie denn dann bitte gemeint?“
Die Frage ist nicht unintelligent, denn selbst die Schulleitung sagte und meinte, dass ich die einzige Autistin an dieser Schule bin. Das Rätsel ist bis heute ungelöst, aber mich würde das wirklich, wirklich interessieren… Na ja.

Meine Note? Ganz ordentlich. Mit einer glatten Eins durfte ich die Stunde verlassen – und mit der Frage im Hirn, weshalb ich mich eigentlich noch aufrege und wundere.

Meine Nerven, Kinners. Meine Nerven… Übermorgen gibts Zeugnisse. Stay tuned, vielleicht passiert da ja noch was spannendes. Auf meine Note in Physik bin ich zumindest wirklich gespannt.

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Heute in Physik

„Also, du hast ja im Schriftlichen insgesamt eine 2 Minus, und im Mündlichen eine 3 Minus… Das ist ja schon seltsam, normalerweise ist das ja immer umgekehrt, dass die Schüler mündlich besser sind als schriftlich.““Ich weiß. Ist bei mir überall so.“
„Auf jeden Fall heißt das aber, dass ich dir eine 3 Minus insgesamt gebe.“
Was auch unter Verwendung der normalen und mir bekannten Rechenregeln, -gesetze und amtlicher Vorgaben nicht ganz hinkommen kann. „Ähm… aber bei mir ist das ja so geregelt, dass das Schriftliche stärker bewertet wird als das Münd…“
„Nein.“
„Doch.“
„Nein, da kann ich keine Ausnahme machen, das wird beides gleich stark bewertet.“
„Es existiert bei mir ein Nachteilsausgleich, und da ist festgesetzt, dass das Schriftliche stärker gewichtet wird. Siebzig zu Dreißig. Da können Sie sich auch gerne an *Beratungslehrer* wenden, der kann Ihnen da mit Sicherheit weiterhelfen.“
„Oh.“
„Deswegen.“
„Stimmt, da war ja was! Irgendwann mal am Anfang des Schuljahres…“
„Ja, da ging ein Zettel rum, ganz richtig.“
„Dann müssen wir das ja nochmal ganz neu rechnen.“
„Das ist vollkommen richtig.“
„Wie machen wir das denn dann… So einen Fall hatte ich ja noch nie, das ist ja das erste Mal für mich.“
Ich bin ja auch die erste und einzige Autistin an dieser Anstalt. „Also ich habe ja…“
„Siebzig zu Dreißig, richtig?“
„Ja.“
„Das ist ja ungefähr Zwei Drittel zu Ein Drittel, da müssen wir dann…“
„Also ich habe ja…“
„Irgendwie kann das nicht stimmen.“
„Also…“ Wie jetzt, ich werd nicht unterbrochen? Hups. „Also ich habe das ja so gerechnet. *zeig* Das hat bisher immer ganz gut so funktioniert.“
„Gut, dann machen wir das so… Hast du das mit Punkten gemacht?“
„Ja.“
„Ach, das ist ja blöd, das kann ich nicht so gut.“ Er ist Mathelehrer. Übrigens. „Dann muss ich mir das hier mal aufschreiben. Was ist denn eine 2 Minus?“
„10 Punkte. Und eine 3 Minus wären…“
„Also eine 1 Plus wären ja 15 Punkte und dann wären ja… Stimmt, 10 Punkte. Und die 3 Minus sind dann…“
„Sieben.“
„Eine glatte 3 sind 8 Punkte, dann sind das sieben. So. Und jetzt setzen wir das ein und da kommt raus… 9 Punkte. Das sind dann…“
„3 Plus.“
„9 Punkte… 9 Punkte sind… 3 Plus, ja. Gut, dann lasse ich das nochmal korrigieren, danke dass d mich dran erinnert hast. Das habe ich ja vollkommen vergessen gehabt… Weswegen hast du den… wie hieß das? Vorteils…“
„Nachteilsausgleich.“
„Nachteilsausgleich. Weswegen hast du den noch gleich?“
„Hab das Asperger-Syndrom.“
„Ah. Ach so.“

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Hoch wissenschaftlich!

Ich war also auf Exkursion heute. Mit meinem herzallerliebsten Geschichts LK, der zumindest sehr überzeugend so tun kann, als hätte er mich lieb. Ich habe mittlerweile beschlossen, dran zu glauben, und fühle mich wohl. Jedenfalls war ich auf Exkursion. Im Wirtschaftsarchiv. Und dann im Brauereimuseum. Im Dienste der Wissenschaft!
Jedenfalls – ich habe die Ereignisse mal aufgeschrieben. Chronologisch richtig, aber die Minuten müssen nicht genau stimmen, ist aber auch egal. Ihr wisst Bescheid, ich lege los. Erwartet nicht zu viel Fachliches – das Drumherum war dann interessanter.

6:31
Mein Wecker klingelt und mir ist schlecht. Da ich gefühl gerade noch mitten im Tiefschlaf stecke, drehe ich mich nochmal um bis

6:52,
als mich dann nichts anderes als der blanke Wahnsinn aus dem Bett und die Übel- und Müdigkeit zurück ins Bett zerren. Wie sich das gehört gewinnt der Wahnsinn. Mittlerweile weiß ich wenigstens, weshalb mir schlecht ist: Wir kriegen heute unsere Noten in Philosophie und ich weiß keinen Grund, weswegen ich noch eine 3 verdient hätte. Was mir aktuell mehr Angst macht als eine gewisse Exkursion.

8:00
Ich sitze im Unterricht und könnte die ganze Welt töten. Scheitert vermutlich daran, dass ich vor Wollendung meines Meisterwerks wegpenne.

9:02
Ich kriege eine glatte 3 in Philosophie und hätte es wohl ahnen müssen. Ich beschließe zum drölfzigsten Mal, mich einfach nicht mehr zu wundern.

9:15
Ich kaufe mir das Notizbuch, in das ich gerade (12:50, etwas im Zeitverzug) schreibe und finde keine Lamypatronen. Da die Zeit aber drängt und ich keine Tinte mehr habe, kaufe ich notgedrungen und zähneknirschend die Billig-Imitate, die es ja wohl auch tun werden. Wehe, wenn nicht.

9:49
Mein Geschichtslehrer hat also kein Quizduell. Ich schon, aber ich gebe den anderen meinen Namen nicht, so böse bin ich. Während der U-Bahnfahrt schreibe ich und lasse meine Charakter die Nerven verlieren.

10:11
„Steichbügel für den Gaucho inne Pampa!“
Politisch nicht unbedingt korrekt – aber selbst denjenigen unter uns, die im Umkreis von 15 Kilometern konsequent alle Ortsschilder ignoriert haben, dürfte nun klar sein: Jawohl, wir sind im Ruhrpott. Und ich sitze im Wirtschaftsarchiv mit meiner Gruppe und fang dann mal an zu arbeiten.

10:40
Ich drücke auf meinem Daumen rum und hoffe, die Quelle nicht vollzubluten. Dazu müsste er zwar erstmal damit anfangen, aber die Chance ist da.

12:23
Die Stereo-Dias aus dem ersten Weltkrieg („Müssen wir eins raussuchen, wo keine toten Pferde drauf sind!“) liefern bessere 3D-Bilder als eine gewisse Handheld-Konsole von Nintendo, macht aber auch so viele Kopfschmerzen. Faszinierend – irgendwas haben wir in hundert Jahren falsch gemacht.
Ertappe mich außerdem dabei, Pläne zu entwickeln, wie man das in seinen Dimensionen beeindruckendste Buch, das ich jemals gesehen habe, vernünftig entführen könnte. Es heißt Helmut und sein ehemaliger Besitzer hatte eine wirklich, wirklich schöne Handschrift. Heute lernt mal Kalligraphie, damals schrieben die Leute einfach so.

12:53
Menschen in der U-Bahn! Mein Handy gibt aus unerfindlichen Gründen den Geist auf und ich stehe ohne Musik da. Überlege, alles kurz und klein zu schlagen. Dummerweise gibt es Zeugen.

14:07
Wir beginnen mit der Führung durchs Brauereimuseum und unser Referent, der interessanterweise nochmal doppelt so große Ausmaße hat wie ich (Also ich bin ja 1,83), haut einen Spruch nach dem anderen raus (Die ich jetzt schon wieder alle vergessen habe, Schande über mein Haupt!). Herrlich – findet mein Kurs nur leider nicht.
Mich beschleicht das Gefühl, ich hätte vielleicht mal was trinken sollen.

14:42
Ich hätte ganz bestimmt mal was trinken sollen. Ehe mein Kreislauf aber endgültig den sterbenden Schwan gibt, können wir uns aber kurz hinsetzen. Glück gehabt. Danach wäre die Führung auch gleich wieder um einiges interessanter – leider ist sie vor allem an der Stelle vorbei. Na ja.

15:20
Ich verabschiede mich von meinem Kurs, hechte in den Kaufzoo um die Ecke und besorge mir Essen und Trinken. Oh mein Gott, ich lebe! Es leeeeeeeebt!

16:00
Bin leidlich wieder hergestellt, aber immer noch voller Motivation, die Sache an der Stelle unspektakulär zu beenden, während mir ein kleines Kind die Ohren vollheult. Da mein Handy sich aber doch wieder die Ehre gegeben hat und wieder anging, ist das auch kein Problem mehr.
Ich drücke immer noch auf meinem Daumen rum und wundere mich, warum es immer noch nicht blutet. Na ja.

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Von meinem Daumen

Weil es ja sonst nichts zu erzählen gibt. Also werde ich euch den Anfang einer bestimmt niemals endenden Geschichte erzählen, die am Ende bestimmt tödlich endet – von meinem Daumen. Ganz genau.

Es begab sich nun also am Samstag, als ich Minimuffins machen wollte (Und mir die Sache geringfügig über den Kopf wuchs, sodass ich bis heute verzweifelt versuche, diese Muffins an den Mann zu bringen). Ich machte den Ofen also brav an – und packte erstmal genau an irgendein offensichtlich nicht ganz so kaltes Teil an. Fand mein rechter Daumen nun nicht ganz so gut, tat dann doch weh, aber hey, ich hab mich immerhin verbrannt, da darf das auch schon mal wehtun. In meiner kindlichen Neugier drückte ich dann erstmal auf der Stelle herum (Man muss ja schließlich wissen, ob das nun Blasen bildet oder nicht) und tat das dann als Missgeschick, das mir seit Dezember sowieso ständig passiert. Es fing damit an, dass ich mir beim Keksebacken einen Esslöffel Konfitüre mitten über die Hand kippte – das war wenigstens noch lecker, vor allem aber eine andere Geschichte.

Jedenfalls war die Wunde dann doch recht klein, knallrot und später dann etwas dunkelrot, aber hey, es ist eine Verbrennung, das darf die ja. Ich habe geringfügig Erfahrung auf dem Gebiet und kann von Glück reden, dass das noch keine Narben gegeben hab. Bis jetzt, vermutlich.
Ich habe mich also bis Montag nicht weiter drum gekümmert – bis ich in Mathe merkte, dass mitten auf der Wunde eine kleine, offene Stelle war. In meiner oben genannten kindlichen und wissentschaftlichen Neugier drückte ich also wieder drauf rum und hatte den Bleistift zur genaueren Untersuchen schon griffbereit – der kam aber nie zum Einsatz, denn – Oh Wunder! – das hat auch so schon tatsächlich wehgetan. Ich verzichtete dann ausnahmsweise darauf, herauszufinden wann genau es wehtut und warum. Normalerweise benutze ich meinen Körper immer gerne als Versuchslabor. Moment. Irgendwie klingt das falsch.

Ich marschierte also nach Hause (Allerdings nach Unterrichtsende, denn wegen sowas geh ich nicht heim), mit dem festen Vorsatz, mir da augenblicklich und mit größter Motivation ein Pflaster auf den Daumen und pappen. Das Dumme an Pflastern und mir ist einfach nur: Wir könen einfach keine Bindung zueinander aufbauen. Unsere Freundschaft hält etwa einen halben Tag und danach wandert einer von uns im Müll. Meistens das Pflaster.

Am Dienstag passierte nichts. Außer dass ich und das Pflaster fürs Erste beschlossen, getrennte Wege zu gehen. Die Wunde heilte – ein bisschen – die offene Stelle beschloss, nicht mehr offen zu sein, alles war super. Bis ich heute morgen den Fehler machte und meine Schuhe anziehen wollte.
Ich rutschte also fachmännisch mit meinem Daumen ab, zuckte wegen des Schmerzes mit den Schultern, denn immerhin handelt es sich hier um eine Verbrennung, das darf dann schon mal wehtun. Dann schaute ich auf die Wunde, und es spielte sich folgender Gedankengang ab:
„Hmm. Na ja, ist jetzt wieder alles offen, muss halt doch ein Pflaster drauf. Na ja. Wird ja wohl nicht so schlimm… Moment. Das blutet ja. Ach nur ein kleines bisschen… Oh. Vielleicht ein bisschen mehr also ein kleines bisschen.“
Und so sitze ich jetzt hier – mit Pflaster – und harre der Dinge. Und wahrscheinlich wird sich die Sache in den nächsten Tagen total hochschaukeln und am Ende werde ich verbluten.

Ganz bestimmt. So wirds sein. So wird es enden. Vielleicht. Oder auch nicht.

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Literatur

„Na ja, wir haben das mal durchgespielt und wenn wir Literatur fürs zweite Halbjahr rausnehmen, ändert sich genau… gar nichts.“ Mein Beratungs-/Vertrauens-/Geschichtslehrer guckt mich an. Ich weiß nicht ganz genau, was ich davon halten soll, obwohl mir von PC-Bildschirm, samt nettem Oberstufenplanungsprogramm, ein nettes, grelles Grün entgegenstrahlt. „Ist das jetzt gut oder schlecht?“
„Zumindest bedeutet das, dass du Literatur abwählen kannst.“
„Gut, dann mach ich das auch.“
Fünf Minuten später wandere ich samt ausgedrucktem Zettel aus dem Büro in meinen besten Freund und fange an vor Erleichterung zu heulen, denn zu dem Zeitpunkt – also vor drei Stunden – bin ich seit anderthalb Wochen dauerhaft angespannt und völlig übermüdet gewesen.

———- Flashback: 2 Monate früher —————

Es begab sich Anfang November, dass ich zu meiner Literaturlehrerin marschierte und ihr erklärte, ich hätte das Gefühl, dass mich mein Kurs nicht mag und ich mich nicht wirklich als irgendwo zugehörig empfinde, ob man da vielleicht was tun könne. Es bildeten sich immer und zu jeder Zeit gewisse Grüppchen, wie das in jedem Kurs mit mehr als 10 Leuten so ist, aber dadurch hatte ich keine Chance, mir da eine Bekanntschaft, noch in irgendeiner Form eine Aufgabe zu suchen. (Zwischendurch bin ich dann irgendwo gelandet, wo man sich aus meiner Sicht dann aber Mühe gab, so zu tun, als wäre ich gar nicht da.)
Ich breitete ihr aus, dass ich nicht viel bräuchte, nur eventuell mal eine klare Ansage, wo ich eigentlich stehe und wo ich hinwill, mit diesem Kurs.
Jetzt hätte alles so einfach sein können – finde ich. Man einigt sich auf eine Lösung, guckt wo ich wirklich Hilfe brauche und greift mir da entsprechend unter die Arme. Der Literaturkurs hat zwar 48 Leute, aber nicht umsonst auch genau zwei Lehrer.
Anhand der Tatsache, dass ich euch hier jetzt lang und breit ausbreite, was sich jetzt zwei Monate alles (nicht) getan hat, könnt ihr aber mit Sicherheit erkennen, dass dem nie so gewesen ist und ich meiner Lehrerin unterstellen muss, das auch nie vorgehabt zu haben. Jedenfalls reagierte ich auf die Aussage „Da können wir so nichts machen, das ist Literatur, da läuft das so, da musst du jetzt halt durch“ mit dezentester Entrüstung und wie sich das für Entrüstung gehört, bin ich selbstverständlich erst einmal in Tränen ausgebrochen. Auf dem Weg nach draußen begegnete mir darauf die Schulleitung, die nie Zeit für irgendwas hat und mir nach zwei Minuten Gespräch für den nächsten Tag einen Termin zusicherte.

So weit, so gut. Ich wollte also Hilfe, die mir per Nachteilsausgleich zugesichert worden ist, und bekam sie nicht. Hätte sich immer noch irgendwie alles regeln lassen können.
Aber wir sind immer noch im November, richtig.

Die Schulleitung war zunächst einmal überhaupt und ganz und gar nicht von der Tatsache angetan, dass ich mir zwei Freunde an die Seite geholt habe, weil ich nicht blöd war und bin und wusste und weiß, dass Gespräche mit der Schulleitung nicht einfach sind, weil irgendein Teil von ihr wirklich, wirklich gut darin ist, mich falsch zu verstehen. Schlug sich auch darin nieder.
„Ich habe gedacht, Sie kämen alleine.““Aber…“
„Das ist ja jetzt Drei gegen Einen.“
„Aber…“
„Was würde das auf Sie einen Eindruck machen, wenn ich hier zwei Leute mitbringen würde?“
„Aber… ich wollte doch nur keine Missverständnisse…“
Jedenfalls, nach zwei Stunden Gespräch, die man bequem in zwanzig Minuten hätte abhandeln können, stand dann fest: Ja, die Schule regelt das. „Aber eine Woche sollten Sie uns schon geben.“
Hab ich. Mit Vergnügen hab ich das, denn Wunder fallen schließlich nicht vom Himmel und mit einer Sofortlösung wäre ich mit Sicherheit auch nicht zufrieden gewesen. Da wäre nämlich was faul dran gewesen. Also gab ich der Schule eine Woche. Ich gab ihr zwei Wochen, ich gab ihr drei Wochen und noch einen Haufen anderer Probleme, die sich zwischendurch erledigten, aber Literatur blieb liegen. Und ich verblieb in der stillen Hoffnung, dass wenn irgendwann Ergebnisse kämen, mir die schon mitgeteilt würden. Ging ja immerhin um mich.

Eine Woche vor Weihnachten, lief mir die Schulleitung dann wieder über den Weg. Und ich fragte sie, arglos wie ich bin, was denn nun mit Literatur wäre, ob es da irgendwie Ergebnisse gäbe und wie der Stand da nun aussähe.
Die Schulleitung guckte recht überrascht. „Gehen Sie denn noch hin?“
Jetzt wo sie so fragte, fragte ich mich das auch. Denn ich bin mittlerweile der festen Überzeugung, dass nicht mal jeder der 48 Leute weiß, dass ich Mitglied dieses Kurses bin/war. „Ja, natürlich.“
„Also bis Weihnachten schaffen wir das auf jeden Fall nicht, das muss Ihnen klar sein.“
Wie gesagt: Ich steh eh nicht auf Wunder. „Ist in Ordnung.“
„Und ansonsten muss ich da nochmal mit dem Beratungslehrer sprechen, und mich da informieren lassen und dann sehen wir weiter.“
Im Endeffekt also: „Wir fangen dann mal an. Aber erst nach Silvester, ja?“

Gut, nach Silvester. Da war ich mittlerweile allerdings schon ein bisschen angefressen, weil ich immer noch keine Ahnung hatte, was nun wirklich läuft. Ende Januar fängt das neue Halbjahr an, und damit die „Nach(t)mittagsproben“ in Literatur, wo man vor 23 Uhr nicht nach Hause kommt. Und wenn sich dann doch noch herausstellen sollte, diesen Kurs nicht bis zum Ende mitmachen zu müssen, dann wollte ich ganz gerne auf das verzichten. Ganz davon abgesehen, dass ich eh im Hinterkopf hatte, dass solche Proben mit meiner Psyche nicht die beste Idee sind, aber warum ich trotzdem Literatur gewählt habe, würde als Erklärung nun endgültig den Rahmen sprengen. Also haben wir brav Mails geschrieben, mit der Bitte nun auf gut Deutsch endlich mal den Hintern zu bewegen und Ergebnisse zu liefern. Eine Woche habe ich der Schule gegeben, und ich fand (Und ich finde), die Woche war da schon um. Es dauerte dann noch mal eine geschlagene Woche, blankliegende Nerven und dezenten Frust auf die nicht vorhandenen Informationen, mit denen man so großzügig um sich warf, bis dann just in dem Moment, wo ich einen wirklich wütenden Blogpost tippen wollte, eine Antwort kam. Ich solle doch umwählen kommen und eine Person meiner Wahl mitbringen, wenn ich das alleine nicht schaffe.

Und damit wären wir dann wieder in der Gegenwart, in der ich kein Literatur mehr habe, dafür aber Mittwochs die ersten beiden Stunden frei. Mit anderen Worten kann ich ausschlafen und angesichts der vielen Stunden, die mich diese Sache nun wachgehalten hat, habe ich das auch reichlich verdient, wenn ihr mich fragt.

Jetzt habe ich also kein Literatur mehr. Das ist ein wahnsinnig guter Grund zur Freude, aber der fade Beigeschmack bleibt. Mir ging es nicht auf die Nerven, da jetzt ein ganzes Halbjahr auf diese Entscheidung zu warten. Mir ging es nur und zwar richtig auf die Nerven, konsequent ein ganzes Halbjahr zu warten, ohne auch nur ansatzweise über irgendwelche Ergebnisse informiert zu werden. Ein „Wir haben grad keine Zeit dafür, tut uns leid“ hätte mir auch volkommen genügt – ist ja nicht so, als hätte ich als vielbeschäftigte, vielgestresste Schülerin absolut und gar kein Verständnis dafür. Aber selbst das ist nie gekommen, außer ich wäre da auch noch hinterhergerannt. Aber das, und dazu steh ich ebenfalls bis heute, ist auch nie meine Aufgabe gewesen. Schließlich hieß es von allen Seiten: „Wir kümmern uns.“ und nicht anders.

Eine Sache habe ich deswegen gelernt. Auch wenn es deutlich anstrengender ist, aber wenn so eine Situation wiederkommt, dann kümmer ich mich gleich selber drum. Da weiß ich wenigstens wo ich stehe.
Und ihr wisst jetzt hoffentlich, was mich den Januar über so lahmgelegt hat, dass ich bis jetzt nicht zum Bloggen gekommen bin. Schande über mein Haupt, aber die letzte Altlast aus dem letzten Jahr ist nun auch erfolgreich beseitigt. Kann also nur besser werden – aber erst nachdem ich ordentlich geschlafen habe. Ich wünsche euch ein schönes Wochenende!

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